NAKSE 2021 - Nationale Konferenz der Seltenen Erkrankungen | Phosphatdiabetes e.V.
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Gruppentreffen 2024

Das nächste Treffen findet vom 07.06. - 09.06.2024 in Duderstadt statt.

Das nächste Treffen findet vom 07.06. - 09.06.2024 in Duderstadt statt.

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access_timeVerfasst am 14. Juni 2022 um 19:42 von Phosphatdiabetes e.V.

NAKSE 2021 – Nationale Konferenz der Seltenen Erkrankungen

Zwei Mitglieder des Vereins nahmen am 23. und 24.09.2021 virtuell an der zweitägigen Veranstaltung NAKSE 2021 (Nationale Konferenz der Seltenen Erkrankungen) teil:

Tag 1: „Suchen, Finden, Kämpfen“

Frau Dr. Ruth Biller von der ARVC Selbsthilfe berichtete, dass trotz bekannter Vorgeschichte und medizinischer Hinweise die seltene Herzerkrankung ihrer Tochter nicht rechtzeitig diagnostiziert wurde und schließlich zum Tod der Tochter führte.
Sie benannte zusammenfassend Probleme wie fehlende Anamnesen, Gentests, mangelnde Kommunikation und fehlende Beteiligung von SpezialistInnen für Seltene Erkrankungen (SE).

Für eine bessere Behandlung bedarf es einer verbesserten Aus- und Fortbildung der ÄrztInnen zu SE, mehr Forschung, organisatorischer Änderungen im Gesundheitssystem und mündiger PatientInnen. Diese Änderungen sind nur im Zusammenspiel zwischen ÄrztInnen und ärztlichen Fachgesellschaften mit Politik, Krankenkassen, Patientenorganisationen und den Medien möglich.

Frau Dr. Christine Mundlos von der ACHSE e. V. betonte die Wichtigkeit der Einbeziehung von ÄrztInnen aus den Fachrichtungen Psychologie, Psychosomatik bzw. Kinder- und Jugendpsychologie, die für SE dringend sensibilisiert werden müssen und auch zu Veranstaltungen zu SE unbedingt eingeladen werden sollen. Den großen Bedarf an Fortbildungen zu SE und eine Sensibilisierung bereits im Studium hob sie ebenso hervor wie die Notwendigkeit, den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK→ jetzt MD) über Expertenpanels in einen konstruktiven Austausch einzubinden.

Frau Sonja Laag von der BARMER stellte in ihrer Präsentation zum Thema „Selten oder häufig – wir brauchen für alle eine neue Systemarchitektur der Zusammenarbeit“ das Projekt RubiN vor. Hierbei wurde das Gesundheitssystem analysiert, mit dem Ergebnis, dass eine grundlegende Überarbeitung erforderlich sei. Das veraltete System sei durch unstrukturierten weiteren Ausbau unübersichtlich, zu teuer, beinhalte veraltete Vergütungssysteme. Digitalisierung und vorausschauende strukturierte Planung fehlten völlig. Anhand eines Schaubildes stellte sie die Wege im Gesundheitssystem und die stete Bürokratisierung seit Entstehen im Jahr 1911 dar.
=> zusammengefasst sei die Einführung von Lotsenden für Betroffene erforderlich, welche die PatientInnen durch den Dschungel des Systems führen.

Lotsende für Betroffene – eine hilfreiche Unterstützung

Das Thema „Lotsende für Betroffene – eine hilfreiche Unterstützung“ griff auch Herr Reiner Sbrzesky auf, indem er auf die besondere Problematik hinwies, dass Menschen mit gleich gearteter Erkrankung nicht immer die gleiche Behandlung erfahren, sondern es zu einer Über-, Unter- oder Fehlversorgung kommen könne.
Lotsende für Betroffene aus dem medizinischen oder pflegerischen Bereich könnten hier für eine Entlastung der ÄrztInnen sorgen, ohne in deren Kernkompetenz einzugreifen.

Herr Prof. Dr. Martin Mücke erläuterte die Tätigkeit des Praxisteams aus seiner Hausarztpraxis in Bonn. Als Vorsitzender des ZSE Bonn für Patienten mit ungeklärter Diagnose bemängelte er die zu geringe Zeit für die Behandlung der PatientInnen und erklärte in diesem Zusammenhang auch das quartalsweise Vergütungssystem. PatientInnen mit SE seien häufig von Multisystemerkrankungen betroffen und besuchen die Praxis durchschnittlich 5 x im Quartal. Abrechnen könne die Praxis aber nur die Quartalspauschale.

Projekt Genom.de

Weiterhin berichtete Frau Dr. Christine Mundlos von dem Projekt Genom.de und merkte an, dass die Exom-Sequenzierung für die Krankenkasse manchmal kostengünstiger sei als jahrelange Diagnostik. Eine Aufnahme in die Regelversorgung sei somit kurzfristig anzustreben.
Bei Genom.de handelt es sich um ein großes Projekt zur gesamten Genomsequenzierung. Es braucht hochspezialisiertes Personal, um die Daten auszuwerten, auch die Künstliche Intelligenz (KI) muss hierzu weiter ausgebaut werden. Zudem sei auch ein internationaler Austausch der Erkenntnisse und die Strukturierung der Daten nach Symptomen und Gruppen erforderlich.
In Deutschland soll die Datensicherheit und die Dateninfrastruktur ab 2023 in den Händen von RKI und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegen.

„Welche Hürden müssen Ärztinnen und Ärzte überwinden, um der bestmöglichen Versorgung gerecht zu werden?“

Herr Prof. Dr. Jürgen Schäfer erklärte in seinem Vortrag die Rolle des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen und die komplizierten Genehmigungsschritte im Gesundheitssystem.
In Bezug auf seltene Erkrankungen brauche es z.B. in Kinderkliniken „Kümmerer-Stationen“ und fair honorierte Zentren für SE statt einer Abrechnung per Fallpauschale.
Er bemängelte auch, dass in den Fachzeitschriften, wie z. B. Lancet keine Krankengeschichten mehr veröffentlicht werden, aus welchen andere Ärztinnen und Ärzte lernen könnten.

Passend zu dem Vortrag von Herrn Prof. Dr. Schäfer hielt Frau Dr. Kerstin Haid vom MDS Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen ihre Präsentation und erläuterte, wie eine Versorgung stattfinden kann, ebenso welche Grundlagen es dafür gibt.

Aufgrund einer Wortmeldung von Frau Dr. Carmen Lechleuthner von der Petition zum MDK „Stoppt die Blockade der Krankenkassen“ folgte eine Diskussion zum Thema Akteneinsicht beim MDK (neu: MD). Es wurde bemängelt, dass Gutachten und Begründungen meist nur den Krankenkassen, nicht aber den PatientInnen zur Verfügung gestellt werden.
Als einen Lösungsweg für SE wurden Expertenpanels vorgeschlagen, zusammengesetzt u. a. aus Patientenorganisationen, Ärzten, MD und Krankenkassen oder auch eine AG zu SE beim MD anzusiedeln.

Tag 2: 24.09.2021

Frau Dr. Sabine Sydow vom vfa bio und Herr Dr. Matthias Wilken vom BPI eine Präsentation zu neuen Entwicklungen im Bereich der Orphan Drugs.

Herr Dr. Frank Stehr von der NCL-Stiftung erklärte die Möglichkeiten einer durch eine Stiftung finanzierten Forschung. Hier kann durch aktive Begleitung und Einsetzung eines wissenschaftlichen Beirats das Forschungsziel konkret bestimmt werden.

Herr Prof. Dr. Hanns Lochmüller -aus Ottawa live zugeschaltet- stellte dann anhand eines Beispiels die Wichtigkeit einer internationalen vernetzten Genomforschung vor. Es wurde nochmals die Dringlichkeit der internationalen Datenteilung im Bereich der Genom Sequenzierung hervorgehoben.

Zusammenfassung der zwei Tage:
Orientierung: Einführung von Patientenlotsen, Einbeziehung der Psychiatrie, Stärkung ZSE als „Ankommenspunkt“
Diagnose: Patienten zu den ZSE bringen, Sektorenübergreifende Fallkonferenzen, Strukturen zur genomischen Medizin fördern
Hilfsmittel: Expertenpanels für Hilfsmittel/off-label-use
Vernetzung: Mitglieder der Netzwerke stärken, funktionierende ZSE
Arzneimittel: strukturiert und früher Erkenntnisse ziehen, z. B. frühzeitig vor dem Zulassungsverfahren ein Indikationsregister aufbauen, Konzentration der Verordnung neuer Medikamente nur über die ZSE, wo das Expertenwissen besteht und dann die Finanzierung über die Krankenkassen eher gesichert werden kann, Innovationsplattform unter Methodenaspekt bilden
Forschung: nationale strukturelle Programme zu bereits bestehenden Therapien initiieren und prüfen, ob diese auf SE ausgeweitet werden können, Daten teilen auf internationalen Plattformen.

Die ungekürzte Version des Berichts einschließlich der Präsentationsfotos kann auf Wunsch beim Vorstand eingesehen werden (info@phosphatdiabetes.de)